Die Türkensteuer am Kurischen Haff

Aufgrund der großen Bedrohung von Polen und Preußen, ja der gesamten Christenheit durch die benachbarten Türken - bereits 1529 standen sie vor Wien - wurde am 10. Juni 1539 im Landtag zu Königsberg die Erhebung der Türkensteuer im Herzogtum Preußen beschlossen. Daran sollten alle Untertanen beteiligt werden, auch die Fischer am Kurischen Haff - "Einhame des nachtgeldts vonn denn vischernn vber dem Habe Labiawsches gepiettes." Weihnachten 1540 war es dann soweit, die Türkensteuer wurde im Amt Labiau eingesammelt und im Nachtgeldregister dokumentiert.

Die Bedeutung des Nachtgeldregisters für die Ahnenforschung
Unter dem Aspekt der Ahnenforschung sind die in den Nachtgeldregistern genannten Namen natürlich sehr interessant. Allerdings möchte ich zusätzlich besonderes Augenmerk auf die einzelnen Summen (Viehbestände, Steuern) der Dörfer legen, um später mit ein wenig Statistik eine Vergleichbarkeit bei der Dorfgröße bzw. dem Wohlstand der Bevölkerung zu ermöglichen. Weiterhin sind die Dorfnamen sehr aufschlussreich, wodurch der Werdegang der dörflichen Namensbildung verfeinert werden kann und teilweise auch eine Lokalität des Ortes ersichtlich wird. Anregung und Grundlage für diese Untersuchung lieferte das Buch "Die Türkensteuer im Herzogtum Preußen 1540" von Hans Heinz Diehlmann.1) Es erschien 1998 als Sonderschrift 88/1 des Vereins für Familienforschung in Ost- und Westpreußen.

Nachtgeld - die Steuer für das Vieh
Das Vieh wurde in ganz Preußen einheitlich bewertet und von ihm das so genannte Nachtgeld erhoben. Berechnet wurden die Vieharten nach ihrem Nutzwert wie folgt: Pferd, Kuh, altes Rind oder Ochse mit 1 Nacht, Fohlen, junge Rinder oder Sterken (Kuh, die noch nicht gekalbt hat) mit ½ Nacht und Kälber, Schweine, Ziegen und Schafe mit ¼ Nacht. In den unten angeführten Tabellen sind da und dort auch einige Abweichungen von dieser Regel zu sehen. Ob dies nun wegen Rechenfehler, Schreibfehler, besonders schönen Augen oder anderen Bestechungsversuchen, vielleicht aber auch aus Ärger geschah, kann heute nicht mehr nachvollzogen werden und bleibt daher unberücksichtigt, siehe hierzu auch Thomasch aus Wiepe oder Dauidt Snippe aus Inse. Es kann aber auch sein, dass es einen gewissen Spielraum für die Beauftragten vom Herzog gegeben hat. Auffallend oft wurden bei den Kälbern unterschiedliche Werte festgelegt, z.B. bei Mickutthe und Regine aus Wiepe. Wobei sich die Spannweite zwischen ¼ und ½ Nacht wohl danach richtete, ob das Kalb jünger oder älter als ein Jahr war.

Wie sind die Tabellen organisiert?
In der ersten Tabellenspalte werden der Name und ggf. Zusätze zur Identifizierung der Person angegeben, die den Haushaltsvorstand darstellt. Weicht der Name im Registerduplikat ab, wird dieser im Anschluss entsprechend kursiv angegeben. In der zweiten Spalte wird sein Besitztum, hier das für die Steuererhebung gewertete Vieh aufgeführt, gefolgt von der Spalte mit der allgemeinen Rechnungseinheit Nacht. In der letzten Spalte steht die zu entrichtende Steuer in Schilling.

Pudelorth

Jacob Wingernicht 2 ziehende pferde, 9 melcke khwe (Kühe), 1 dreyjherigk rindt, 4 sterckenn, 8 schweyne (Schweine) 16 nacht 32 ß
Südaw
Sudau
2 zihende pferde, 3 khwe, 3 zweyjherige rinder, 4 schweyne 7 ½ nacht 15 ß
Femia 1 zihendt pferdt, 2 khwe, 2 aldte ochsenn, 3 schweyne 5 ½ nacht 1 swein
(5 ¾)
11 ½ ß
Peter Kheule
Peter Kewle
2 pferde, 4 khwe, 1 aldt rindt, 4 schweine 8 nacht 16 ß
Peter Amicke
Peter Amücke
2 pferde, 5 khwe, 3 junge rinder, 2 schweyne 9 nacht 18 ß
Jacob 1 pferdt, 3 khwe, 2 ochsenn zweyjherig 5 nacht 10 ß

In Pudelorth kamen 10 Pferde, 26 Milchkühe, je zwei alte Rinder und Ochsen, sechs junge Rinder und zwei junge Ochsen, vier Sterken und 21 Schweine zusammen, was mit 51 ¼ Nacht bewertet wurde. Die sechs Haushalte mussten dafür 1 ½ Mark und 28 ½ Schilling bezahlen. Durchschnittlich bezahlte somit jeder Haushaltsvorstand 17,1 Schilling.

Wieppe (Wiepe)

Greger Tischer, schultze
Greger Lische
1 pferdt, 4 khwe, 2 jherige sterckenn, 4 schweine 7 nacht 14 ß
Mickutthe
Mickuthe
1 pferdt, 3 khwe, 3 kelber, 2 schweine 6 nacht 12 ß
Janell Szredde
Jhanelle Szredde
1 pferdt, 2 khwe, 1 jherig rind, 5 schweine 4 ½ nacht 1 swein
(4 ¾)
9 ½ ß
Nicola Misenicke
Nicola Mißeningke
1 pferdt, 2 khwe, 2 jherige kelber, 2 schweyne 3 nacht 6 ß
Regine 1 pferdt, 2 khwe, 3 kelber, 1 schwein 4 nacht 8 ß
Bernath
Bornath
1 pferdt, 2 khwe, 4 schweine 4 nacht 8 ß
Casper Reunielandt
Caspar Rewnielandt
1 pferdt, 2 khwe, 1 zwejherig rindt, 1 schwein 3 ½ nacht 1 schwein
(3 ¾)
7 ½ ß
Hans Snowboth
Hans Schnawboth
2 schweyne ½ nacht 1 ß
Michel Kendigke
Michell Köndecke
1 pferdt, 2 khwe, 1 aldt rindt, 1 jherige stercke, 3 schweine 5 nacht 1 schwein
(5 ¼)
10 ½ ß
Thomasch 1 zihende pferde, 4 khwe, 3 jherig rinder, 3 schweyne 6 ½ nacht 1 swein
(6 ¾)
13 ½ ß
Nickel Tylweycke
Nickel Tilwicke
2 khwe, 1 schwein 2 nacht 1 swein
(2 ¼)
4 ½ ß
Mitz, der kruger
Matzs
4 pferde, 5 khwe, 4 schweyne, 5 zigenn 11 nacht 1 ziege
(11 ¼)
22 ½ ß

In Wiepe wurden 13 Pferde, 30 Kühe, ein altes Rind, fünf junge Rinder, sieben Kälber, drei Sterken, 32 Schweine und fünf Ziegen gezählt. Insgesamt brachten die Bewohner 1 ½ Mark und 27 Schilling für ihre 58 ½ Nacht auf. Der Mittelwert betrug somit 9,8 Schilling pro Haushalt.

Mimelin (Nemonien)

Plipstelle
Blibstelle
1 pferdt, 1 melchenn khwe 2 nacht 4 ß
Anna, seine bonderinne 3 khwe, 2 schwein 3 ½ nacht 7 ß
Andres Budenick
Anders Budenigk
1 pferdt, 3 khwe, 3 schweine, 1 jherige stercke 5 nacht 1 schwein
(5 ¼)
10 ½ ß
Jhann Nausede 1 pferdt, 1 jherige stercke, 3 schweyne 2 nacht 1 swein
(2 ¼)
4 ½ ß
Mathes Sausekoll
Mathes Sawssekoll
1 pferdt, 3 khwe, 2 schweine 4 ½ nacht 9 ß
Mathes Reppesche
Mathee Poppesche
1 pferdt, 1 melcke khwe, 2 schweine 2 nacht 4 ß
Paul Pudeck
Pauell Püdack
1 pferdt, 3 khwe, 2 kelber, 1 schwein 4 ½ nacht 1 schwein
(4 ¾)
9 ½ ß

Die Einwohner von Mimelin besaßen insgesamt sechs Pferde, 14 Kühe, 13 Schweine und jeweils zwei Sterken und Kälber. Somit brachten seine sieben Haushalte ½ Mark und 18 ½ Schilling für 24 ¼ Nacht auf. Im Durchschnitt musste also jeder Steuerbürger 6,9 Schilling bezahlen.

Die Gillige (Gilge)

Bastian, der kruger
Bastiann
6 pferde, 4 khwe, 15 schweyne 13 ½ nacht 1 swein
(13 ¾)
27 ½ ß
Jhann Starcke 1 pferdt, 1 melchenn khwe, 3 schweyne 2 ½ nacht 1 swein
(2 ¾)
5 ½ ß
Nickel Bolle
Nickell Bolle
2 pferde, 3 khwe, 2 jherige rinder, 1 stercke, 7 schweyne 8 nacht 1 swein
(8 ¼)
16 ½ ß
Janelle Borssdich 1 pferdt, 2 khwe, 1 stercke, 5 schweine 4 ½ nacht 1 swein
(4 ¾)
9 ½ ß
Pudack 1 pferdt, 2 khwe, 4 schweyne 4 nacht 8 ß
Janelle Graset 2 pferde, 3 khwe, 1 jherig rindt, 2 sterkenn, 7 schweine 8 nacht 1 swein
(8 ¼)
16 ½ ß
Greger Außgall 1 pferdt, 1 melcke khwe, 9 schweyne 4 nacht 1 swein
(4 ¼)
8 ½ ß
Dingnat 1 pferdt, 3 khwe, 1 jherig rindt, 3 schweyne 5 nacht 1 schwein
(5 ¼)
10 ½ ß
Bernat Popelle 1 pferdt, 3 khwe, 1 sterke, 8 schweyne 6 ½ nacht 13 ß
Clemet
Clemett
3 pferde, 4 khwe, 1 aldt rindt, 3 sterkenn, 10 schweyn, 2 fremde pferde nebenn seinenn 14 nacht 28 ß
Jorge Luther 2 pferde, 3 khwe, 2 jherig rinder, 4 schweine 7 nacht 14 ß
Mattis Kolle 1 pferdt, 1 jherig kalb, 10 schweyne 4 nacht 8 ß
Lasar Kwesche
Casper Kussche
1 pferdt, 1 melcke khwe, 1 schwein 2 nacht 1 swein
(2 ¼)
4 ½ ß
Peter Kunge 2 khwe, 1 stercke, 2 schweine 3 nacht 6 ß
Peter Kawer 1 melcke khwe, 1 stercke, 3 schweyne 2 nacht 1 schwein
(2 ¼)
4 ½ ß
Hans Kawer
Hanss Kawer
1 pferdt, 2 khwe 3 nacht 6 ß
Anthonius Bolle 1 pferdt, 4 jherig kelber, 5 schweyne 4 nacht 1 schwein
(4 ¼)
8 ½ ß
Steffann 2 pferde, 1 melcke khwe, 6 jherig kelber, 1 schwein 6 nacht 1 schwein
(6 ¼)
12 ½ ß
Mattis Nahre 1 pferdt 1 nacht 2 ß
Andres Broschke, instmann
Andres Breschke
1 pferdt, 1 schwein 1 ¼ nacht 2 ½ ß
Peter Vder, instmann 1 pferdt 1 nacht 2 ß
Plicke mitt Lumtzinn, instleuthe 4 schweine 1 nacht 2 ß

Gilge, zu der Zeit schon das größte Dorf am östlichen Kurischen Haff, zählte mit seinen 22 Feuerstellen insgesamt 30 eigene und zwei fremde Pferde, 36 Milchkühe, ein altes Rind und sechs junge Rinder, 11 Kälber, 10 Sterken und 102 Schweine. Zusammen wurde ein Wert von 108 Nacht für das Vieh festgelegt, wofür die Freien und Instleute zusammen 3 ½ Mark und 6 Schilling zu entrichten hatten. Im Mittel bezahlte jeder der 22 Haushalte 9,8 Schilling.

Die Tawlen (Tawellninken)

Greger Jacks
Greger Jacke
2 ziehendt pferde, 7 melcke khwe, 2 alde rinder, 3 zweyjherige rinder, 3 jherige kelber, 13 schweyne 17 nacht 1 swein
(17 ¼)
34 ½ ß
Janelle Zoepe
Janelle Zope
4 zihende pferde, 2 fullenn von zu jhare, 11 melcke khwe, 3 alde rinder, 2 vberjherige rinder, 5 jherige rinder, 30 schweine, 7 ziegenn, 8 schoffe 33 ½ nacht 1 zige
(33 ¾)
67 ½ ß

In Tawlen kamen insgesamt sechs Pferde, zwei Fohlen, 18 Milchkühe, fünf alte Rinder, 10 junge Rinder, drei Kälber, 43 Schweine, sieben Ziegen und acht Schafe zusammen. Letztere gab es scheinbar nicht bei den Dörfern, die direkt am Haff lagen. Bei den beiden Familien lässt sich aufgrund der großen Viehbestände wohl eher von Bauern mit angeschlossenem Zuchtbetrieb ausgehen, als von Fischern. Sie brachten jedenfalls für ihre 51 Nacht 1 ½ Mark und 12 Schilling auf, was einen Mittelwert von 51 Schilling bedeutete und damit weit über den Durchschnitt der vorherigen Dörfer lag. Dies nährt ebenfalls die Grundlage, dass es sich bei Tawlen nicht um Tawe handelt, wie im Buch "Die Türkensteuer im Herzogtum Preußen 1540" auf Seite 363 angegeben, sondern um Tawellninken. Von dort aus war es vermutlich zu zeitaufwendig sich allein auf Fischfang zu verlassen, sodass die Bewohner sich einen anderen Broterwerb zuwandten, der Viehzucht. Zusätzlich möchte ich für die Zuordnung der späteren Dorfnamen weitere Belege aufzeigen.

Bey den Creützenn (Kryszahnen)

Gawdath
Gaüdath
4 zihende pferde, 6 melcke khwe, 4 alde rinder, 2 jherige kelber, 4 kelber noch nicht jherig, 15 schweine, 6 ziegenn, 10 schoffe 23 ½ nacht 1 swein
(23 ¾)
47 ½ ß
Comtrin
Comtrinn
4 ziehende pferde, 15 melcke khwe, 7 alde rinder, 4 rinder dreyjherig, 6 kelber nicht jerigk, 25 schweyne, 6 ziegenn 37 nacht 1 schwein
(37 ¼)
74 ½ ß

Die beiden Höfe "Bey den Creützenn" besaßen insgesamt acht Pferde, 21 Milchkühe, 11 alte und vier junge Rinder, 12 Kälber, 40 Schweine, 12 Ziegen und 10 Schafe. Aus dem Viehbestand errechneten sich 61 Nacht, wofür eine Steuer von 2 Mark und 2 Schilling bezahlt werden musste. Durchschnittlich waren dies 61 Schilling, was den Spitzenwert der hier untersuchten Dörfer bedeutete.

Die Thabe (Tawe)

Jorg Gander 3 pferde, 4 melcke khwe, 4 stercken, 4 schweyne 10 nacht 20 ß
Hans Kawer 1 pferdt, 1 jerig kalb, 4 schweyne 2 ½ nacht 5 ß
Brosy Grutze
Brosius Grutze
1 pferdt, 3 khwe, 1 aldt rindt, 2 sterckenn, 3 sweyne 6 ½ nacht 1 swein
(6 ¾)
13 ½ ß
Bodener 1 pferdt, 3 khwe, 2 schweyne 4 ½ nacht 9 ß
Valtinn Trinkbier
Valteen Drinckbier
1 pferdt, 1 melcke khwe, 2 schweyne 2 ½ nacht 5 ß
Jhann Sybitt
Jhann Sybyt
1 pferdt, 3 melcke khwe, 2 schweyne 4 ½ nacht 9 ß
Barthel Koguth
Bartell Kogut
2 pferde, 3 melcke khwe, 3 sterckenn, 10 schweine 9 nacht 18 ß
Brosy Godelle 1 ziehende pferde, 4 melcke khwe, 1 stercke, 2 schweyne 6 nacht 12 ß
Jahn Kawer
Jahnn Kawer
1 pferdt, 5 melcke khwe, 2 zweyjherige rinder, 2 kelber, 7 schweyne 9 nacht 1 swein
(9 ¼)
18 ½ ß
Jhann Spagit
Jhan Spagit
1 pferdt, 5 melcke khwe, 2 junge rinder, 2 jherige kelber, 4 schweine 8 ½ nacht 17 ß
Hans Algott
Hans Algot
1 pferdt, 2 melcke khwe, 2 stercken, 4 schweyne 5 nacht 10 ß

Die Bewohner von Thabe hatten 14 Pferde, 31 Milchkühe, 10 Sterken, ein altes und vier junge Rinder, fünf Kälber und 40 Schweine. Dies ergab 58 ½ Nacht, wofür sie 2 Mark und 17 Schilling bezahlten. Der Dorfdurchschnitt lag bei 12,5 Schilling.

Die Innse (Inse)

Philip Kruger 3 pferde, 4 melcke khwe, 1 jung rindt, 2 schweyne 8 nacht 16 ß
Vrbann Schucke 2 pferde, 2 melcke khwe, 1 aldt rindt, 1 zweyjherig rindt, 4 schweyne 6 nacht 1 swein 12 ½ ß
Hans Thalemin
Hans Talemin
5 pferde, 11 khwe, 4 schweine 17 nacht 34 ß
Mattis Simpsont
Mattis Seipsant
1 pferdt, 1 zweyjherigk rindt 1 ½ nacht 3 ß
Hans Schlauder
Hans Slauder
1 pferdt, 3 khwe, 5 schweyne 5 nacht 1 schwein 10 ½ ß
Thomas Rabe 2 pferde, 3 khwe, 1 jherig rindt, 4 schweyne 6 ½ nacht 13 ß
Dauidt Snippe
Dauid Snippe
4 pferde, 2 khwe, 2 jherige kelber 4 nacht 8 ß
George Gerbe 1 pferdt, 4 khwe, 3 schweyne 5 ½ nacht 1 swein
(5 ¾)
11 ½ ß
Kyliann Gerbe
Kiliann Gerbe
2 pferde, 3 khwe, 1 zweyjherig rindt, 4 schweyne 6 ½ nacht 13 ß
Gregor Gerbe
Greger Gerbe
3 pferde, 2 khwe, 2 rinder zweyjherig, 2 schweine 6 ½ nacht 13 ß
Michell Wahrne, newsas
Michael Warne
1 pferdt, 1 melcke khwe, 2 rinder zweyjherigk 3 nacht 6 ß
Jorge Mitschkynn, instmann
Jorg Mitschinn
1 melcke khwe, 1 aldt rindt 2 nacht 4 ß

Die Leute hatten 25 Pferde, 36 Kühe, zwei alte und neun junge Rinder, zwei Kälber und 28 Schweine. So ergab es sich Anno 1540 "Sumarum dis dorffs Inse: 2 Mark und 24 ½ Schilling vor 72 Nacht 1 virthel", womit durchschnittlich im Dorf 12 Schilling bezahlt wurden.

Untersuchung der Steuereinnahmen

In der ersten Tabelle werden die Steuereinnahmen aus den einzelnen Dörfern miteinander verglichen. In einer zweiten Tabelle soll dann der Viehbestand der Orte näher betrachtet werden, um damit lokale Unterschiede deutlicher zu machen.

Dorf Haushalte Summe Durchschnitt Standardabweichung Variationskoeffizient
Pudelorth 6 102,5 17,08 7,19 42 %
Wieppe 12 117 9,75 5,24 54 %
Mimelin 7 48,5 6,93 2,58 37 %
Gillige 22 216 9,82 7,13 73 %
Tawlen 2 102 51 16,5 32 %
Bey den Creützenn 2 122 61 13,5 22 %
Thabe 11 137 12,45 5,11 41 %
Innse 12 144,5 12,04 7,65 64 %

In den acht Fischerdörfern im Labiauschen Amt gab es um Weihnachten 1540 insgesamt 74 Feuerstellen, die zusammen 989,5 Schilling oder 16 Mark und 29 ½ Schilling aufbrachten. Jeder Haushalt bezahlte damit durchschnittlich 13,4 Schilling, jedes Dorf 2 Mark und 3 ½ Schilling. Zum Vergleich, die 18 Bauerndörfer im Amt Labiau bezahlten im Mittel 3 Mark und 8 Schilling. Es zeigt sich, dass eigentlich in keinem Dorf die Bevölkerung wirklich homogen zusammengesetzt war, wobei der Unterschied innerhalb der Bevölkerung in den großen Dörfern Gilge, Inse und Wiepe am größten war. In Tawlen und "Bey den Creützenn" war dies etwas anders. Diese hatten bei den Steuereinnahmen sowohl den höchsten Durchschnitt als auch scheinbar die größte Homogenität. Vielleicht lag es daran, dass sich hier jeweils zwei große Viehzuchtbetriebe ansiedelten.

Mehr Licht ins Dunkle soll die nächste Tabelle bringen, wo jeweils die Anzahl der Tiere und die prozentuale Abweichung zum erwarteten Gemeindedurchschnitt angegeben sind.

  Pferde inkl. Fohlen Kühe, Sterken, Rinder und Kälber Schweine, Ziegen und Schafe
Pudelorth 10 + 6 % 42 + 46 % 21 - 28 %
Wieppe 13 - 31 % 46 - 20 % 37 - 37 %
Mimelin 6 - 45 % 18 - 46 % 13 - 62 %
Gillige 32 - 7 % 64 - 39 % 102 - 5 %
Tawlen 8 + 155 % 36 + 276 % 58 + 494 %
Bey den Creützenn 8 + 155 % 48 + 402 % 62 + 535 %
Thabe 14 - 19 % 51 - 3 % 40 - 25 %
Innse 25 + 33 % 49 - 15 % 28 - 52 %
Summe der Tiere 116   354   361  
Haushaltsdurchschnitt 1,57   4,78   4,88  

Wegen der sehr großen prozentualen Abweichung bei Tawlen und "Bey den Creützenn" ist anzunehmen, dass sich dort wohl wirklich eine Rinder- und Schweinezucht befand und die Dörfer somit keine eigentlichen Fischerdörfer waren. Die höhere Anzahl der Zugpferde resultiert sicherlich aus dem notwendigen Versorgungsbedarf der anderen Tiere und ist nicht weiter zu bewerten. Zusätzlich gab es allerdings auch noch das herausragende Merkmal, dass dort Schafe gehalten wurden. Schafe vertragen keine weichen sumpfigen Böden, wie sie in der Nähe des Haffs verstärkt vorkommen. Obwohl sie eigentlich einen höheren Nutzwert im Vergleich zu Ziegen haben - wegen ihrem Fell und Fleisch - ist ihre Haltung doch anspruchsvoller. Schafe müssen auf die Weide bzw. benötigen eine Aufsicht, Ziegen werden einfach angepflogt. Lässt man deshalb die beiden Orte außen vor und macht sich die Mühe, die Rechnung mit den restlichen Orten zu wiederholen, fällt Folgendes auf: In Pudelorth gab ebenfalls, wie schon in den beiden vorangehenden Dörfern, besonders viele Rindviecher. In Innse standen verhältnismäßig viele Pferde in den Ställen und in Gilge gab es überdurchschnittlich viele Schweine.

In Mimelin war über alles ein unterdurchschnittlicher Tierbestand vorhanden, sodass hier der Verdacht aufkommt, es könnte ein armes Fischerdorf gewesen sein, aber vielleicht hatten die Einwohner nur vorher ihr Vieh - bis auf das Notwendigste - verkauft, um sich neue schöne Fischerboote oder Häuser bauen zu können. Eine nicht allzu lange zurückliegende Dorfgründung könnte dies ebenfalls erklären, womit vielleicht der Zusammenhang - Wiepe - Mimelin - Nemonien - zu erklären ist.

Die Dorfnamen

Bei den um 1540 im Nachtgeldregister genannten Dörfern Wieppe (Wiepe), Gillige (Gilge) und Innse (Inse) ist die Zuordnung der Namen wohl eindeutig. Hingegen wird die Lokalität von Wiepe - wenn überhaupt - oft falsch wiedergegeben. Der Ursprung dieses Fehlers wird wohl bei Reusch2) zu suchen sein, der die Dörfer Nemonien und Wiepe 1821 zusammen wirft. Er schreibt: "Am Einfluß der Nemonie in den großen Friedrichsgraben befindet sich gegenwärtig der Wiepsche Krug am Nemonie, und das große Dorf Nemonie, ehemals Wiepe genannt, am Haffe..." Deshalb möchte ich zu Pudelorth, Wiepe, Mimelin, "Bei den Creützenn", Tawlen und Thabe, neben den schon oben bei Tawlen angeführten Gründen, folgende Anmerkungen und Kartenausschnitte zur Klärung und Richtigstellung hinzufügen.

Inse Tawe Kryszahnen Tawellninken Gilge Nemonien Wiepe Pudelort
Die Schroetterkarte von 1802
Der Weg des Geldes, skizziert auf einem Ausschnitt der
Schroetterkarte von 1802

Die Beauftragten des Herzogs gingen bei ihrer Steuereinnahme und der notwendigen Dokumentation sicherlich systematisch vor und notierten die Steuern der Dörfer in der Reihenfolge, wie sie sie bereisten. Sie kamen über das Haff und besuchten ein Dorf nach dem anderen, um dann abschließend wieder nach Hause zu fahren. Wenn nun die bekannten Dörfer oder zumindest ihre ungefähre Lage aufgezeichnet werden, ergibt sich eine Reiseroute, die sich an den Flüssen und dem Haff orientiert.

Kommend vom Haff betraten sie südlich von dem späteren Nemonien das Festland. Der erste Eintrag im Nachtgeldregister lautet Pudelorth, welches zwar auch später Mortensen nicht zuordnen konnte aber auf der Henneberger Landtafel3) - die erste Ausgabe erschien 1576 - bei Juwendt verzeichnet ist. Den passenden Hinweis lieferte hier Frau Storek.

Pudelort
Ausschnitt des colorierten Übersichts-
blatt der Henneberger Landtafel

Danach folgte Wiepe, welches etwa 1 km südöstlich von Nemonien lag. Die Bewohner gaben Wiepe später wegen der fortschreitenden Verlandung, nach den Deichbauten entlang der Gilge, auf und siedelten nach Nemonien über, welches das hier bezeichnete Mimelin ist. Mortensen4) vermerkt hierzu ebenfalls "... Verleihung ... freie Fischerei in den Flüssen ... dem Kämmerer zu Laukischken ein Wasser ... und an 'die Mymeleine' (= Nemonien), die ihm bereits gehört ..."

Dann zogen die Steuereintreiber über das Kurische Haff nach Gilge, um von dort aus auf dem zugefrorenen Strom der Gilge aufwärts nach Tawlen, dem späteren Tawellninken, zu gelangen. Nun kamen die Höfe "Bey den Creützenn", Kryszahnen südlich von Rautenburg, an die Reihe, welche die Gesandten noch vor Thabe bzw. Tawe um die Steuergelder erleichterten. Hierzu wechselten sie auf die Tawelle, um zurück Richtung Haff zu ziehen, bis sie Tawe an der Mündung erreichten. Von Tawe aus konnten sie über das Haff, ohne wieder großen Flusswindungen folgen zu müssen, nach Inse gelangen, dem Ende ihrer Reise. Abschließend konnten sie von dort mit gut gefüllter Steuerschatulle, die fast 1000 Schilling enthielt, ihren Heimweg über das Haff antreten.

Korrekturen

Hans Snowboth, Wiepe hat laut dem Buch "Die Türkensteuer im Herzogtum Preußen 1540" nur ½ ß bezahlt. Die Steuereintreiber haben aber offensichtlich einen Schilling eingezogen, da die angegebene Gesamtsumme von Wiepe mit dem korrigierten Wert übereinstimmt.

Bei Andres Broschke, Gilge hat sich vermutlich ein Übertragungsfehler eingeschlichen. Im Buch "Die Türkensteuer im Herzogtum Preußen 1540" steht 1 nacht bzw. 2 ß. Bei der im Buch angegeben Gesamtsumme von Gilge fehlen dann aber genau ein viertel Nacht bzw. ein halber Schilling.

Quellen

1) Die Türkensteuer im Herzogtum Preußen 1540, Diehlmann, Hamburg 1998
2) Beiträge zur Kunde Preußens, Band IV, Kapitel XIV, Reusch, Königsberg 1821
3) Farbliches Übersichtsblatt der Henneberger Landtafel nach dem Original des Nordost-Instituts, Lüneburg
4) Die Besiedlung des nordöstlichen Ostpreußens bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts, Mortensen, Leipzig 1938

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