In einer kurzen Zeit zwischen Herbst und Winter konnte am Kurischen Haff nicht richtig gefischt werden. Es war der Zeitpunkt der Eisbildung auf dem Fluss und dem Haff. Wie auch die Eisschmelze im Frühjahr wurde diese Zeit "Schaktarp" genannt. Das Eis trug noch nicht an allen Stellen, um es mit schweren Fanggerät und dem Eisschlitten problemlos zu betreten. War aber anderseits schon zu stark, um es noch mit den Keitelkähnen zu befahren, ohne dabei Material und Menschen zu gefährden. Die richtige Zeit, um dann mal wieder die Arbeiten an Haus und Hof vorzunehmen, sich abends mit den Nachbarn beim wärmenden Getränk "Meschkinnies" - ein ostpreußischer Bärenfang - zu treffen und sich alte und neue Geschichten zu erzählen.
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Schon in der Vorweihnachtszeit ging es los mit dem Eisfischen auf dem Kurischen Haff. Früh morgens nach einem kräftigen Frühstück und dick vermummt, ausgerüstet mit Eisschlitten, Eisäxten und anderen Gerät ging es hinaus auf das Haff. Hatte man die Stelle erreicht, wo die Fische im kalten Wasser träge ruhten, ging es los. Die besten Stellen - wo, wann, welche Fische lagen - wurde in den Fischerfamilien wie ein Geheimnis gehütet und nur von Generation zu Generation an die Kinder weiter gereicht. Drei bis vier kräftige Männer schlugen nun mit langen Eisäxten Löcher in die Eisdecke. Dann zog bzw. schob man mit langen Stangen Netze von Loch zu Loch.
Die ganze Eisfischerei war relativ ungefährlich und machte allen Spaß, sodass selbst die älteren Kinder mit auf das Eis durften. Oft übernahmen sie die Tätigkeit mit dicken Pfühlen auf das Eis neben dem Loch zu hauen, um die Fische zu betäuben. Die Fische schwammen dann halb bewusstlos dem Licht entgegen oder trieben zum Eisloch. Dort wurden sie nun bequem mit einem einfachen Käscher abgefischt und in die Körbe auf die Schlitten geworfen. So gelang es an einem Tag bis zu fünf Zentner Quappen, Brassen und andere leckere Fische wie Zander nach Hause zu schaffen. In Vorfreude auf die frisch gebraten Delikatessen am Abend lief schon so manchen hier draußen das Wasser im Munde zusammen und ließ die Kälte vergessen. Nicht alles konnte oder sollte frisch verzehrt werden. Um später die appetitlichen Leckerbissen zu genießen, wurden die Brassen zum Räuchern aufgehängt. Auch legte man die Fische gerne in Fässer sauer ein, wodurch der bestimmte eigentümliche Geruch in den Fischerdörfern am Kurischen Haff herrührte. Und was nicht selber benötigt wurde, konnte für gutes Geld im Dorf oder sogar in die weitere Umgebung verkauft werden. Noch einfacher konnten die Quappen auf den breiten Wiesen neben den Flüssen gefangen werden. Die Wiesen wurden im Herbst bis zu den Wäldern überflutet, was auch das fruchtbare Land erklärte. Das Wasser, was nicht mehr bis zur Eisbildung ablaufen konnte, bildete rasch eine spiegelglatte glasklare Eisfläche. Unter der Eisschicht war allerdings immer noch 30-50 cm stehendes Gewässer, welches selten bis zum Boden gefror. Dort im flachen Wasser lagen gerne die Quappen und waren für alle sehr gut sichtbar. So konnten hier die Fische noch einfacher aufgestöbert und eingebracht werden. Die große Eisfläche der Wiesen war auch ein beliebter Platz zum Eislaufen oder Rodeln, wofür der kleine Damm rund um das Dorf den nötigen Schwung brachte oder schon mal der Hofhund als Schlittenhund herhalten musste. |
1) Das Rezept für den ostpreußischen Bärenfang entstammt dem Ostpreußen-Forum
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